Kurzfassung
Zusammenfassung:
Die Histamin-Unverträglichkeit (Histaminose) ist eine erworbene oder angeborene nicht immunologische Stoffwechselstörung, zu der vermutlich mehrere körperliche Ursachen und Umweltfaktoren beitragen. Der körpereigene Botenstoff Histamin kann beim Betroffenen nicht mehr auf dem Sollwert gehalten werden, wenn er übermässig aus Speicherzellen frei gesetzt wird, wenn zusätzliches Histamin von aussen zugeführt wird (Ernährung, Darmflora) oder wenn der enzymatische Abbau behindert ist. In der Folge kommt es zur Fehlregulation zahlreicher Körperfunktionen.
Die Symptome der Histamin-Intoleranz gleichen einer Allergie, einer Lebensmittelvergiftung oder einer Erkältung.
Oft gelingt es den Betroffenen nicht, alle Auslöser zu identifizieren oder überhaupt einen Zusammenhang mit irgendwelchen auslösenden Faktoren zu erkennen. Ausser der versuchsweisen Durchführung der Histamin-Eliminationsdiät während einiger Wochen steht noch keine brauchbare Diagnosemethode zur Verfügung.
Hauptpfeiler der Therapie ist das dauerhafte Meiden unverträglicher Lebensmittel und unverträglicher Medikamente. Bei Bedarf kann die Therapie medikamentös unterstützt werden. Die unverträglichen Lebensmittel verteilen sich über alle Nahrungsmittelkategorien und oft entscheidet die Frische über die Verträglichkeit. Zu meiden sind z.B.: Fisch, Wurstwaren, Trockenfleisch, lang gereifte Käsesorten, Wein, Sekt, Bier und Essig, Sauerkraut, Spinat, Tomaten, Aubergine, Avocado, Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Soja), Erdbeeren, Himbeeren, Zitrusfrüchte, Banane, Ananas, Kiwi, Birnen, Papaya, Nüsse, viele Saucen, Würzen und Gewürze, aber auch bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe. Da auch Medikamente, Stress, Anstrengung und diverse Chemikalien die Symptome verstärken können, ist die Histaminose keine reine Nahrungsmittelunverträglichkeit.
Was ist Histamin?
Körpereigenes Histamin
Histamin ist ein körpereigener Stoff (Mediator, Botenstoff), der zahlreiche Funktionen steuert. Histamin versetzt als Signalüberträger den Körper bei Infektionen und allergischen Reaktionen in Alarmbereitschaft, ist Entzündungsmediator, Gewebehormon und Neurotransmitter, beeinflusst den Schlaf-Wach-Zustand, die Darmbewegungen und viele andere Vorgänge. Histamin wird vom Körper selbst hergestellt und in Mastzellen und anderen spezialisierten Zelltypen gespeichert, um im Bedarfsfall schlagartig freigesetzt zu werden. Vor allem bei allergischen Reaktionen (Überreaktion des Immunsystems) wird Histamin in grossen Mengen ausgeschüttet, was zur Auslösung von Allergiesymptomen führt.
Von aussen zugeführtes Histamin (Ernährung, Darmflora)
Histamin ist ein Gärungs-, Reifungs- oder Verderbnisprodukt, das in den meisten Nahrungsmitteln in stark unterschiedlicher Konzentration enthalten ist. Besonders die leicht verderblichen Produkte sind im frischen Zustand nahezu histaminfrei, können sich aber mit zunehmender Lagerdauer zu wahren "Histaminbomben" entwickeln. Besonders viel Histamin ist tendenziell enthalten in verdorbenem Fisch und Fischkonserven, Wurstwaren und Trockenfleisch, lang gereiften Käsesorten, Wein, Sekt, Bier und Essig sowie anderen Gärungsprodukten.
Einige Nahrungsmittel enthalten nicht direkt Histamin, sondern bestimmte Stoffe (Histaminliberatoren), welche körpereigenes Histamin unspezifisch aus den Speicherzellen freisetzen und so ebenfalls zur Histaminbelastung beitragen können.
Andere Nahrungsmittel haben die Eigenschaft, die Histamin abbauenden Enzyme zu hemmen oder die Aufnahme von Histamin über den Darm zu begünstigen.
Auch die Darmflora produziert Histamin, besonders dann, wenn es zu einer Fehlbesiedlung des Darms (Dysbiose) mit schädlichen Mikroorganismen kommt.
Was ist eine Histaminose?
Als Histaminose bezeichnen wir den Zustand eines im Körper so weit vom Idealbereich abweichenden Histaminstatus (lokal oder systemisch), dass das Wohlbefinden oder körperliche / geistige Funktionen über das normale Mass hinaus beeinträchtigt werden.
Durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, wird Histamin einerseits aus körpereigenen Speicherzellen freigesetzt und andererseits dem Körper von aussen zugeführt. Übersteigt nun - aus welchen Gründen auch immer - die Summe aller Histaminquellen die Fähigkeit des Körpers, Histamin abzubauen, dann steigt der Histaminspiegel zu stark an. Die Zahl möglicher Störfaktoren im Histaminstoffwechsel ist sehr gross. Die körperlichen Ursachen mit der grössten klinischen Relevanz sind nach heutigem Kenntnisstand:
- Mastzellerkrankungen. Bestimmte Genmutationen in Mastzellen führen zur Daueraktivierung dieser Zellen. In der Folge werden die Mastzellen langlebiger, vermehren sich übermässig, wandern durch die Gewebe und können sich in einzelnen Organen und Geweben ansammeln. Diese krankhaft veränderten daueraktivierten Mastzellen setzen verstärkt Histamin und andere Mediatoren frei, was zu zahllosen Fehlregulationen im Stoffwechsel führt. Ferner können auch andere Zelltypen und andere Krebsarten zu übermässiger Freisetzung von Histamin führen.
- Histamin-Abbaustörungen. Die Enzymaktivität der Histamin abbauenden Enzyme kann vermindert sein. Solche Funktionsminderungen können erworben oder angeboren, vorübergehend oder dauerhaft sein. Die Aktivität dieser Abbauwege kann z.B. durch Hemmstoffe, durch Gendefekte oder durch hormonelle Veränderungen im Körper vermindert werden. Das Enzym Diaminoxidase (DAO) wird besonders in der Darmschleimhaut gebildet, um den Körper vor Histamin aus dem Verdauungstrakt zu schützen. Im Innern der Zellen ist die Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) zum Histaminabbau befähigt und in geringerem Masse auch die Monoaminoxidase B (MAO-B).
Eine enzymatische Histamin-Abbaustörung (insbesondere die DAO-Abbaustörung) bezeichnet man als Histamin-Intoleranz. Deren klinische Relevanz ist allerdings noch umstritten und mangels aussagekräftiger Diagnosemethoden ist im Einzelfall die Ursache des gestörten Histaminstatus unklar. Daher wird empfohlen, die Bezeichnungen Histamin-Unverträglichkeit oder Histaminose zu bevorzugen. Oft wird Histamin-Intoleranz aber auch gleichbedeutend (synonym) mit den Bezeichnungen Histamin-Unverträglichkeit und Histaminose verwendet.
Zu den körperlichen Ursachen kommen zahlreiche Umwelteinflüsse hinzu, die sich ungünstig auf den Histaminstoffwechsel auswirken. Grossen Einfluss haben die Ernährungsgewohnheiten, die Einnahme unverträglicher Medikamente sowie Stress und Umweltgifte.
Die Histamin-Unverträglichkeit ist folglich keine Allergie, sondern eine Vergiftung durch einen Botenstoff, den der Körper nicht auf dem Sollwert halten kann. Dieser Zustand ist keine reine Nahrungsmittel-Unverträglichkeit, sondern wird auch durch andere Faktoren beeinflusst. Nebst körperlichen Ursachen hängt es auch vom Verhalten und von der Umwelt ab, ob und wie stark man betroffen ist. Möglicherweise führt erst eine Kombination verschiedener Ursachen zu einer schwerwiegenden Erkrankung.
Man schätzt, dass mehrere Prozent der Bevölkerung betroffen sind, kann aber keine genauen Zahlen nennen. Von Abbaustörungen sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Mastzellerkrankungen sind gleichmässig auf die Geschlechter verteilt.
Symptome
Die Symptome der Histamin-Intoleranz gleichen einer Allergie, einer Lebensmittelvergiftung oder einer Erkältung. Sie treten insbesondere im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme auf, können fallweise aber auch chronisch andauern oder in ihrer Intensität schwanken, ohne dass dem Betroffenen ein Zusammenhang mit der Ernährung bewusst wird. Eine enorm breite Palette von teils unspezifischen Symptomen ist möglich. Welche Symptome auftreten, ist individuell verschieden. Als typische Leitsymptome können auftreten:
- Anschwellende Nasenschleimhaut, laufende Nase, Niesen, Auswurf, Hustenreiz, Atembeschwerden
- Verdauungsprobleme: Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen, Sodbrennen
- Juckreiz, Hautausschlag, Hautrötungen (Flush im Gesicht)
- Hitzewallungen, Schweissausbrüche, gestörtes Temperaturempfinden
- Herzrasen, Herzstolpern, Herzklopfen, Blutdruckabfall
- Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel
- Schlafstörungen, Müdigkeit
- Übelkeit, Erbrechen
- Menstruationsbeschwerden
- Ödeme (Schwellungen, Wasseransammlungen)
Anders als bei einer Allergie, wo bereits kleinste Spuren des Auslösers genügen, um eine heftige Reaktion hervorzurufen, ist hier die Intensität der Symptome von der Dosis abhängig.
Diagnose
Die Symptome sind unspezifisch und bieten daher keinen Anhaltspunkt, um eine Histaminose zu diagnostizieren oder auszuschliessen. Die Ursachen sind zudem sehr multifaktoriell. Es gibt keine eindeutigen Diagnosekriterien. Folglich existiert kein aussagekräftiger Labortest, mit dem eine Histaminose diagnostiziert werden könnte. Die übliche Diagnostik bei einer Allgemeinuntersuchung ist in der Regel unauffällig und liefert keinen Befund, so dass Ärzte oft die Leiden ihrer Patienten nicht nachvollziehen können und keinen Bedarf für weitere Abklärungen sehen. Zur Verwirrung trägt bei, dass die Symptome eine Allergie oder einen Infekt imitieren, ohne dass aber Antikörper nachgewiesen werden könnten, die damit in Zusammenhang stehen. Gelingt es dem Patienten, histaminreiche Lebensmittel als Auslöser zu identifizieren, ist dies hilfreich, um die Aufmerksamkeit eines gut informierten Arztes auf die Histamin-Unverträglichkeit zu lenken. In den anderen Fällen wird es schwierig. Oft gelingt es den Betroffenen nicht, bestimmte Lebensmittel als Auslöser zu identifizieren oder überhaupt einen Zusammenhang mit der Ernährung zu erkennen. Typischerweise haben Betroffene eine lange Odyssee hinter sich, während der sie vergeblich von Arzt zu Arzt wechseln und nach kostspieligen Untersuchungen aus Unverständnis immer wieder als gesund entlassen oder als psychisch krank abgestempelt werden (Psychosomatiker, Hypochonder, krankhaftes Aufmerksamkeitsbedürfnis). Trotz nach wie vor fehlender Diagnosemöglichkeit ist der Arztbesuch wichtig zur differentialdiagnostischen Abklärung anderer in Frage kommender Erkrankungen; nicht nur weil sich bei vielen anderen Erkrankungen ähnliche Symptome zeigen, sondern auch weil oft Begleit- oder Folgeerkrankungen vorhanden sind.
Die einzige zuverlässige Diagnosemethode besteht in einer mehrwöchigen Eliminationsdiät (Auslassdiät), bei der auf alle Nahrungsmittel mit Histaminpotential konsequent verzichtet wird. Diese wird vom gründlich instruierten Patienten unter Führung eines Ess- und Beschwerdeprotokolls selbst durchgeführt. Trifft der Verdacht auf Histaminose zu, beginnt schon nach den ersten Tagen eine allmähliche Besserung der Beschwerden. Anschliessend ermittelt der Patient seine individuelle Toleranzschwelle, indem er Schritt für Schritt einzelne gemiedene Nahrungsmittel wieder einführt und die Reaktion beobachtet.
Therapie
Eine Histaminose muss mit einer dauerhaften Einhaltung der Histamin-Eliminationsdiät therapiert werden. Ergänzend kann die Therapie medikamentös und mit Nahrungsergänzungsmitteln unterstützt werden. Eine stressfreie Lebensweise wirkt sich günstig aus. Für Allergiker ist die Allergenvermeidung wichtig.
Unverträgliche Lebensmittel
Histaminreich sind Lebensmittel, die eine Fermentation (Gärung), Reifung oder eine lange Lagerung durchlaufen haben: verdorbener Fisch und Fischkonserven, Wurstwaren und Trockenfleisch, lang gereifte Käsesorten, Wein, Sekt, Bier und Essig sowie andere Gärungsprodukte. Da Histamin hitze- und kältestabil ist, kann es weder durch gründliches Durchgaren noch mit anderen Methoden aus den Speisen entfernt werden.
Zu meiden sind auch Sauerkraut, Spinat, Tomaten, Aubergine, Avocado, Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Soja), Erdbeeren, Himbeeren, Zitrusfrüchte, Banane, Ananas, Kiwi, Birnen, Papaya, Nüsse, viele Saucen, Würzen und Gewürze, aber auch bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe. Betroffene sollten ihre Mahlzeiten grundsätzlich aus frischen, möglichst unverarbeiteten Rohstoffen selbst zubereiten und rasch verbrauchen oder sofort einfrieren.
Unverträgliche Medikamente
Viele gebräuchliche Medikamentenwirkstoffe und Hilfsstoffe erweisen sich als unverträglich. Gegebenenfalls müssen unverträgliche Medikamente nach Rücksprache mit dem Arzt wenn möglich abgesetzt werden.
Lebensweise
Je nach Ursache und Schweregrad muss man auch diverse andere ungünstige Einflüsse meiden: Stress, Tabakrauch, Luftverschmutzung, grosse körperliche Anstrengung, Duftstoffe und andere Chemikalien, grosse Hitze und Kälte usw.
Geführter Rundgang: Weiter zur Seite
Einleitung > Über uns
Quellenangaben
Tipp: Der "zurück"-Button Ihres Browsers bringt Sie zur vorherigen Stelle zurück.
M | Zurück zur vorherigen Stelle |
---|---|
Maintz and Novak 2007 | Maintz L, Novak N: "Histamine and histamine intolerance", Am J Clin Nutr. 2007 May;85(5):1185-96. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17490952 |